Interview mit dem Strandretter

Christoph reist um die Welt um vermüllte Strände wieder sexy zu machen

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Ein CleanUp soll nicht einfach nur Müllsammeln sein, 
sondern ein cooles Event, das irgendwie sexy ist.

Zu Besuch bei greenya: Christoph Schulz, Gründer von CareElite, reist als digitaler Nomade durch die Welt, um Plastik-CleanUps zu organisieren. Dabei beseitigt er in Teams große Mengen Plastikmüll aus der Natur. Auf CareElite.de gibt Christoph Tipps & Tricks für ein natürlich-gesundes Leben ohne Müll. 
Im Gespräch teilt er seine Erlebnisse auf den fantastischen Natur-Reisen mit uns. 
Christophs Online-Shop hält diverse plastikfreie Produkte bereit, vom Klopapier bis zum to-go-Fitnessgerät.

greenya: Hallo Christoph! Freut mich, dass du da bist!
Christoph: Danke, ihr habt es echt schön hier. Ich träume schon lange von so einem coolen Büro, aber ich bin so viel unterwegs, das würde sich wohl gar nicht lohnen.

greenya: Du warst gerade drei Monate auf Bali! Wächst da eigentlich Bambus? Was liebst du so an Bambus?
Christoph: Bambus wächst bis zu einem Meter täglich. Es ist ein cooles Material für nachhaltige Produkte. Es ist leicht, wasserfest und antibakteriell. Außerdem sieht es gut aus. Bambus wächst zum Beispiel auf Bali, wo ich auch schon bei der Verarbeitung dabei war.

greenya: Es wird oft kritisiert, dass das Material so weite Wege zurücklegt.
Christoph: Wenn es hier verkauft wird, muss es ja weite Wege auf sich nehmen. Wenn die Artikel mit dem Flugzeug kommen, dann ist das uncool. Die Haarbürste, Zahnbürste und die Strohhalme aus meinem Shop sind aus Bambusholz aus China. Das Produktionswerk liegt direkt am Bambuswald, das heißt, da ist der Weg schon einmal nicht ganz so weit. Und nach Deutschland kommt die Ware immer mit dem Schiff. 

greenya: Was sind das eigentlich für Borsten an den Zahnbürsten? Sind die aus Kunststoff?
Christoph: Ja, das ist das Ding. Die sind aus Nylon 4 und ich untersuche gerade, wie sich das abbaut. Bisher sage ich meinen Kunden: “Bitte schneidet das am Ende ab und schmeißt es in den Plastikmüll, falls es sich nachher doch nicht so gut zersetzt.”

greenya: Wie soll dein Unternehmen zukünftig wirken? Möchtest du dich auf den Vertrieb plastikfreier Produkte konzentrieren?
Christoph: Ich muss ja von irgendetwas leben, darum mache ich das. Damit kann ich den Konsum unserer Gesellschaft ein wenig verändern. Dieses Einkommen ermöglicht mir meine Reisen und CleanUps, aber irgendwann soll der Blog mich allein finanzieren. Die Aufklärungsarbeit ist für mich das Wichtigste. Die Bilder von den Cleanups sind es, die am Ende zählen. Ein CleanUp soll nicht einfach nur Müllsammeln sein, sondern ein cooles Event, das irgendwie sexy ist. 

greenya: Eine Freundin ist in Kürze auf den Malediven. Sie möchte die Müllinsel der Malediven besuchen, Fotos machen, die Menschen befragen. Wie kann sie dort etwas bewegen?
Christoph:  Einfach anfangen ein CleanUp zu starten - dann kommen auch schon ein paar Leute dazu. Die effektivere Methode ist ein CleanUp zu zu planen. Ich erstelle dann immer ein Facebook-Event, lade einige Einheimische und Touristen ein, die das Event auch in anderen Gruppen teilen. So sind schnell 40-50 Leute zusammen. Es kommen auch immer Leute dazu, die da rumlaufen und fragen “Warum macht ihr das?” Dieser Grundgedanke “Warum macht der Tourist das jetzt? Warum räumt der unseren Müll auf?” ist wichtig. Deine Freundin kann gerne in unsere CleanUp-Gruppe auf Facebook kommen, dann kann sie auch ihr eigenes CleanUp Event teilen und weitere Unterstützungfinden..

Christoph beim Müllsammeln am Strand

greenya: Super! Das richte ich ihr aus. Was hat dich bei deinen CleanUps am meisten überrascht?
Christoph: Am meisten überrascht hat mich, wie offen die Leute dafür sind und dass es keine schlechten Stimmen gibt. Wenn man anfängt und mit den Leuten spricht, sind alle begeistert. Ob das Touristen sind oder Einheimische.  

greenya: Gibt es manchmal Probleme mit Gesetzen und Behörden?
Christoph: Bis jetzt noch nicht. Die Regierung auf Bali beispielsweise hat meiner Erfahrung nach kein Bewusstsein für das Müllproblem. Auf Bali wird der Müll von EcoBali abgeholt und up- und recycelt, dafür muss ich aber ein bisschen zahlen. Natürlich werde ich das nicht den anderen aufdrücken, die beim CleanUp helfen. Das mache ich dann selber. 

greenya: Gibt es einen Prominenten, den du dir als Unterstützer für dein Projekt wünscht?
Christoph: Ja! Hannes Jaenicke, mit dem werde ich hoffentlich bald in Kontakt kommen. Er engagiert sich mit viel Leidenschaft für die Verringerung von Plastikmüll und kämpft auch gegen viele andere Missstände. Das macht er super authentisch.

greenya: Was ist deiner Meinung nach der größte Plastikmüll-Verursacher? 
Christoph: Plastiktüten und -flaschen. Hier in Deutschland - das ist cool - haben wir seit Jahren ein Pfandsystem für Flaschen. Das müsste es überall geben. 
Wir haben das Glück, dass das Leitungswasser bei uns trinkbar ist. Und dann rennen wir trotzdem noch zum Supermarkt, kaufen die Sechserträger Wasser, hieven sie in die Wohnung hoch - dabei haben wir den Wasserhahn direkt in der Wohnung. 

greenya: Wer wirklich Bedenken hat, kann ja eine Trinkwasser-Analyse beauftragen.  
Glaubst du, dass es erschreckende Bewegtbilder sein müssen, wie in PlasticPlanet um die Menschen für das Thema zu sensibilisieren? Bei dir war genau dieser Film der Auslöser für ein Umdenken, richtig?
Christoph: Auf jeden Fall. Der Film hat mir die Augen geöffnet, ich hatte bis vor zwei Jahren noch gar nichts mit Umweltschutz zu tun. In meiner Erziehung und in der Schule war das nie ein Thema, was schade ist. Und ich rege mich über mich selber auf, dass ich das damals nie ernst genommen habe. 

Christoph mit dem Müllsammelteam am STrand

greenya: Wie verlief bei dir die Umstellung in ein plastikfreies Leben?
Christoph: Das fing mit einer Trinkflasche an. Obst- und Gemüsenetz anstelle von kleinen Plastiktüten im Supermarkt und der Jutebeutel natürlich. Damit reduziert man den Plastikverbrauch schon massiv. Duschgel und Shampoo zum Beispiel kannst du durch ein einfaches Stück Seife ersetzen.

greenya: Wie viel Plastik hast du früher weggeschmissen? Und wie viel heute? 
Christoph: Ich habe bis vor zwei Jahren überhaupt nicht darüber nachgedacht und viel Müll gemacht. Und heute kaufe ich -wenn es schnell gehen muss- manchmal noch den Käse in der Plastikverpackung. Ansonsten fällt mir spontan nichts ein.

greenya: Ernährst du dich jetzt auch gesünder?
Christoph: Definitiv. Dieser Zero-Waste-Gedanke heißt ja nicht nur “plastikfrei Leben”. Du lebst einfach konsequent bewusster und ernährst dich deshalb automatisch gesünder. Wenn du bewusster einkaufst, kaufst du auch nicht mehr den ganzen Kram, den du isst, wenn dir langweilig ist. Also lieber einen Apfel als in Plastik verpackte Süßigkeiten.

greenya: Konntest du bereits in deinem direkten Umfeld etwas Umweltbewusstsein schaffen?
Christoph (lacht): Meine Mutter startet jetzt so langsam. Sie möchte ihre Zahnpasta selber machen, hat ihre eigene Glaswasserflasche gekauft, die sie immer auffüllt. Ich bin total begeistert davon, das hätte ich nicht gedacht. Da habe ich wohl schon etwas bewirkt. 

greenya: Und deine Freunde?
Christoph: Am Anfang wurde ich stark belächelt. Jetzt, wo ich davon gut leben kann und drei Monate auf Bali war um CleanUps zu veranstalten, ist das anders.

greenya: Ist es teurer, ohne Plastik zu leben?
Christoph (nach längerer Überlegung): Nein. Ein Stück Seife zum Beispiel hält länger als Duschgel. Ich kaufe jetzt genau so viel wie ich brauche, schmeisse weniger weg. Wenn du bewusster lebst, lebst du auch automatisch minimalistischer. Auch wenn manche Einzelprodukte etwas teurer sind, spart man auf Grund der geringeren Menge wieder etwas.

greenya: Am Thema Mikroplastik sehen wir, wie stark die Hersteller auf Kundenkritik reagieren und ihre Rezepturen umstellen. 
Christoph: Die Menschen schauen jetzt mehr auf die Inhaltsstoffe. Mikroplastik ist überall, ob in Kosmetik oder synthetischer Kleidung. Auch unser Plastikmüll wird über die Jahre zu Mikroplastik, wenn sich dieser zersetzt und alles Plastik, was jetzt schon im Meer ist, wird zu Mikroplastik. Und wir essen die Fische, die das aufnehmen. Das darf einfach nicht sein.

greenya: So ist es. Weichmacher, auch Phtalate und Bisphenol A in Plastik können laut Umweltbundesamt zum Teil in die Nahrungskette gelangen, da manche sich nur langsam abbauen. Die EU-Kommission stellt fest: Weichmacher können Krebs auslösen, wirken erbgutverändernd und können Unfruchtbarkeit verursachen. 
Christoph: Ja, diese Stoffe verändern unseren Hormonhaushalt. In anderen Ländern sind sie verboten, warum nicht bei uns? Die Veränderungen passieren schleichend und sind nicht sichtbar, deshalb sind sie den meisten Menschen nicht bewusst. Man hat ja auch andere Probleme und da steht Umweltschutz bei vielen Leuten noch nicht an oberster Stelle. 

greenya: Die Hälfte des Plastikmülls in den Weltmeeren gelangt über Flüsse dorthin. Den Müll könnte man doch direkt an der Quelle abfangen?
Christoph: Auf jeden Fall. Am Ganges in Indien arbeiten bereits einige StartUps wie Detect Technologies daran, Abfälle abzufangen, bevor sie ins Meer gelangen.

greenya: Was hälst du von Unverpackt Läden? Vieles kommt dort doch auch in Plastikverpackungen an. Die sind dann nur eben größer.
Christoph: Ich halte sie für eine echte Bereicherung. Das Problem sind in der Regel die Verbraucher: sie schmeißen die Verpackungen in die Umwelt. Das Wichtigste ist, dass es diese Läden gibt. Das allein regt schon zum Nachdenken an. 

greenya: Oder dass die Discounter einfach mitziehen?
Christoph: Ja, die Großen sollten mindestens Mal eine Unverpackt-Ecke einrichten, bis sie ihre eigenen Filialen aufmachen. Das Zero-Waste Konzept ist in einigen Läden bereits angekommen.

greenya: Kommen wir zur letzten und wohl wichtigsten Frage: Was kann ich von hier aus gegen den Plastikmüll in den Meeren tun?
Christoph: Kaufe keine Produkte mit Mikroplastik. Falls du weiterhin die coolen synthetischen Klamotten tragen willst, nutze ein Wasch-Netz, welches die Plastikfasern auffängt, damit sie nicht ins Abwasser gelangen. Versuche plastikfrei zu leben, es ist einfacher als du glaubst! Du kannst auch hier CleanUps unterstützen. In ganz Deutschland werden Aktionen veranstaltet, beispielsweise vom NABU.

greenya: Danke für das schöne Gespräch! Wir sehen, wir alle können viel bewegen und unsere Kaufentscheidung zählt. Viele Freude für deine kommenden Projekte. Wir folgen deinen Ideen und unterstützen deine Arbeit immer gern. 

Alle Fotos: Christoph Schulz privat